Die CDU tut wenig gegen Rechtsextremist*innen, grenzt sich dafür umso besser von einer sozialdemokratischen Linken ab, obwohl sie selbst in der Tradition der DDR steht. Oder tut sich in Thüringen doch noch was?
Immer noch werden die Debatten der 1990er Jahren geführt, deren Wurzeln im Kalten Krieg liegen. Welchem Jugendlichen soll ich das heute noch erklären können? Ist das wirklich der Auftrag der politischen Bildung? Zu erläutern, aufgrund welcher Positionen der Ahnen heute noch keine (gemeinsame) Politik gemacht werden kann?
Die Nachfolgepartei der Blockpartei CDU in der DDR darf also aufgrund des Antikommunismus der West-CDU nicht mit der Nachfolgepartei der SED kooperieren? Dabei soll mit Bodo Ramelow ein westdeutscher Gewerkschafter lediglich toleriert werden, um den Einfluss eines Faschisten auf eine Thüringer Regierung zu verhindern. Immer noch behauptet die CDU, die Linke hätte mit der Aufarbeitung ihrer DDR-Vergangenheit nicht begonnen. Ein Faktencheck des MDR zeigt, dass diese Aussage falsch ist. Dafür hat die CDU wirklich erst 2015 begonnen, ihre DDR-Vergangenheit aufzuarbeiten.
Das führt dann zu der absurden Situation, dass die Linke in Thüringen statt ihres Kandidaten ohne DDR-Vergangenheit mit Christine Lieberknecht eine Person vorschlägt, die als CDU-Mitglied in das System der DDR verstrickt war. Diese persönliche Verstrickung beschreibt Ulrich Kasparick in einem Facebook-Post so: „… da hat sie mich angeblafft (da war sie grad unsere FDJ-Sekretärin an der Uni geworden), ich solle doch endlich ‚zur Wahl gehen‘, so wie alle, schließlich solle ich dankbar sein, dass ‚Leute wie du‘ (womit sie mich meinte) ‚überhaupt an einer Universität ‚unseres Staates‘ studieren dürfen‘ …“
Ich will mit diesem Beitrag weder die ehemalige Ministerpräsidentin Thüringens diskreditieren, noch spreche ich mich gegen die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit aus. Ich will nur die Schizophrenie der Argumente zeigen und erwarte, dass Politik aus dem Heute heraus agiert und nicht aus einer Vergangenheit, die über 30 Jahre her ist.
Ich hatte schon fast vergessen, dass meine erste Erfahrung mit der West-CDU auch eine Erfahrung mit Nazis war. Im Dezember 1989 war ich in Dresden unterwegs. Am Kulturpalast standen viele Menschen. Ordner mit offensichtlich rechtsextremen Symbolen hinderten mich daran weiterzugehen. Helmut Kohl stieg nämlich nur wenige Meter vor mir aus einer Limousine, um seine bekannte Rede vor der Frauenkirche zu halten.
Vermutlich war es für die CDU am Ende der DDR schwer, unbelastete Ordner*innen zu finden. Die große Masse kannte die rechtsextremen Symbole vielleicht auch gar nicht. Für mich war es aber ein Vorbote für das, was wir dann in Hoyerswerda und Rostock Lichtenhagen, aber auch in Mölln und Solingen, dann mit der NSU und heute wieder in Halle und Hanau erlebt haben.
Am Ende wird die Wahl eines Thüringer Ministerpräsidenten der ehemaligen Blockpartei LDPD durch die Blockpartei CDU gemeinsam mit der vom Faschisten Höcke geführten AFD vielleicht auch bei der CDU etwas ändern – zumindest für einige. Direkt nach der Wahl glaubten andere in der CDU und FDP noch, mit diesem Coup durchzukommen, und gratulierten dem neu gewählten Ministerpräsidenten. Glücklicherweise reagierte die Zivilgesellschaft, aber auch bekannte Politiker*innen der bürgerlichen Parteien großartig. Anders als in den 1920er Jahren gab es zumindest bei diesem ersten Versuch der Einflussnahme durch Faschisten genügend Gegenwind.
„Es brennt“, schreibt Katharina Noccun in ihrem Blog. Sie verweist auf die auch hier schon beschriebenen Einschüchterungen gegen Kommunalpolitiker*innen und zivilgesellschafte Akteur*innen, aber vor allem auf die Angst von Menschen, die gefährdet sind, weil sie irgendwie als „anders“ wahrgenommen werden könnten.
Es wäre hochgradig naiv anzunehmen, dass Vorfälle wie die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen nichts mit all diesem Leid und all diesem Hass zu tun hätten. Diese ganze braune Suppe wird in der selben Küche gekocht. Die Scharfmacher stehen am Rand und feuern diejenigen an, die eben noch einen Schritt weiter gehen wollen. Am Ende hat das alles natürlich nichts mit nichts zu tun. Doch die netten Schwiegersohn-Frisuren und adretten Anzüge der Abgeordneten sind nur billigste Fassade. In internen Gruppenchats schlugt der damalige Vizechef der AfD-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns vor, “das rot-grüne Geschmeiß auf den Schafott“ zu schicken. Beim Umgang mit politischen Gegnern wird dazu geraten sie “an die Wand zu stellen”, “eine Grube auszuheben” und “Löschkalk obendrauf zu streuen”.
https://kattascha.de/thueringen/
Bis heute fehlt der Union und damit auch der Bundesrepublik ein klares Konzept gegen den Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus, was inzwischen auch Bundesinnenminister Horst Seehofer erkannt hat. Er will den Rechtsextremismus auch nicht mehr mit Verweis auf den Linksextremismus verharmlosen. Dafür brauchte es aber erst Hanau und den erneuten Terror gegen Einwohner*innen, denen der Täter aufgrund äußerer Merkmale das Recht absprach, dort leben zu dürfen.
Update 24.2.20: Die TAZ berichtete am 16.2.20 über die fehlende DDR-Aufarbeitung der CDU.
Titelbild: Logo der DDR-CDU. Von Fornax – Günther: Politische Symbolik…, DER FLAGGENKURIER Nr. 11/2000, Gemeinfrei, Link
Sehr gute Zusammenfassung! Es wäre schön, wenn die CDU Führung das lesen und ernst nehmen würde.